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Deutsch-russisches Projekt / Interethnische Beziehungen, Migration und Integration

Toleranz und Migrationsprozesse im Swerdlowsker Gebiet


Toleranz und Migrationsprozesse im Swerdlowsker Gebiet

Die Migrationspolitik ist ein untrennbarer Bestandteil im Prozess der Formierung einer Toleranzkultur in der Gesellschaft. Außer den föderalen Organen, die für die Umsetzung der Migrationspolitik verantwortlich sind und in gewisser Weise auch auf das Toleranzniveau den Migranten gegenüber Einfluss haben, sind es die regionalen Behörden, auf die eingegangen werden muss:
- das Amt für Migrationsfragen des Gebietes Swerdlowsk
- das Pass- und Meldezentrum für Ausländer und Personen ohne Staatsangehörigkeit der Hauptverwaltung des Innern des Swerdlowsker Gebietes (das Amt für Migrationsfragen und das Pass- und Meldezentrum werden demnächst in einer Struktur zusammengefasst)
- die zwischenbehördliche Kommission der Regierung des Gebietes Swerdlowsk zur Anwerbung ausländischer Arbeitsnehmer
- die Stadt- und Gemeindeverwaltungen

Die Lage der Migranten im Swerdlowsker Gebiet.
Zum ersten Mal wurde Russland 1991 nach dem Zusammenbruch der UdSSR mit Migrationsproblemen konfrontiert. In das Land strömten ehemaligen Landsleute, die  unfreiwillig, im Nu (?), im Ausland  verblieben und das Verhältnis zu ihrer Heimat niсht einbüssen wollten. Das Gebiet Swerdlowsk hat im Laufe von 11 Jahre (von 1991 bis 2002) über 120 000 Menschen aufgenommen. Ins Land kamen Landsleute, die sich  sozusagen über Nacht im Ausland befanden und die Beziehungen zur Heimat nicht verlieren wollten. (gemeint sind hier Russen, die nicht auf dem Territorium der heutigen RF lebten).

Viele der Ankommenden mussten ihre Häuser und ihr Hab und Gut verlassen und ein neues Leben an einem neuen Ort beginnen. Nur jeder 10. von ihnen bekam im Gebiet Swerdlowsk den Status eines Zwangflüchtlings (Verfolgte) und demzufolge, wenn auch geringe, staatliche Unterstützung. Sie hatten die Hoffnung auf Beistand, eine Wohnung oder einen Zuschuss für die Wohnungseinrichtung zu bekommen. Die meisten Bürger  konnten  bei der Einrichtung eines neuen Lebens allerdings nur auf sich selbst zählen und mit ihren eigenen Kräften rechnen. Viele Verpflichtungen, die das Föderalzentrum (gemeint ist Moskau) übernommen hat, blieben unerfüllt. Von 1993 bis 2001 hat man 2377 zinslose Darlehen für den Wohnungskauf (bau) bereitgestellt. In diesem Zeitraum wies man  darüber hinaus 495 Wohnungen zu.

Unter den bei dem Migrationsamt angemeldeten Bürgern dominierten ihrer Nationalitat nach die Russen (80%), ihnen folgten Tataren (2%),  Baschkiren (2%), Ukrainer (1%). Die Menschen kamen in ihre geschichtliche Heimat zurück, viele von ihnen waren in dieser Gegend geboren, hatten Verwandte. Sie büssten das Verhältnis zu ihrer geschichtlichen Heimat nicht ein, hatten keine Sprachschwierigkeiten. Solange das 1. Russische Föderalgesetz “Über die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation” galt, war es für die Umsiedler sehr leicht, sich die russische Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Fast alle konnten auf einmal mit dem Erhalten von Renten und Hilfsgeldern rechnen. Aber schon die Migranten der 1. Welle , Vertreter der im Ural ansässigen Nationalitäten, berichteten, dass es ihnen äußerst schwer fällt, das Leben an einem neuen Ort zu beginnen. Als Grund für ihre unbefriedigende psychologische Verfassung nannten sie  den Unterschied in der Lebensweise. Sie wiesen auch auf die unfreundliche Haltung und Abneigung gegenüber ihnen hin. Von Juni-Dezember 2001 haben die Mitarbeiter der Jekaterinburger Gemeinschaft “Memorial”, G.L.Schubina und I.J.Nekrassowa, im Gebiet Swerdlowsk ein Monitoring durchgeführt. Die Untersuchung wurde im Gebietszentrum – Jekaterinburg, in zwei Industriestädten – Nishnij Tagil und Krasnoturinsk, und auf dem Lande – im Kreis Kamyschlowskij und Belojarskij -  durchgeführt. Während der Untersuchung wurden 320 Fragebögen ausgefüllt, wobei die Befragten einen Fragebogen nicht nur in ihrem Namen, sondern auch in dem der ganzen Familie ausfüllten.

Unter anderen untersuchte man auch das Problem der Migrantenanpassung. Viele Familien erwähnten den Mangel im Verständnis von Seiten ihrer Umgebung. Eine freundliche Haltung ihnen gegenüber seitens der einheimischen Bevölkerung erwähnten nur 42% der Befragten, 43% schätzten das Verhalten als gleichgültig ein. Die unfreundliche Haltung ging hauptsächlich von  Seiten der Staatsbeamten aus; nur einige der Befragten wiesen auf das negative Verhalten seitens der Nachbarn und Mitarbeiter hin.

Nicht leicht hatten es auch die Kinder. Die fehlende Übereinstimmung der Lehrpläne und der Mangel an Lehrkräften in den GUS-Ländern führten dazu, dass einige Kinder bei der Einschulung in die Klassen um 1-2 Stufen niedriger aufgenommen wurden.

In den selben Jahren beobachtete man einen hohen Zustrom der Arbeitsmigranten nach Russland aus anderen GUS-Ländern, die, indem sie die liberale Bestimmungen der russischen Gesetzgebung ausnutzten, fast ungehindert spontan zum Zwecke des  Geldverdienens nach Russland kamen.
Der Meinung der Behörden aller Ebenen zufolge wurde Russland zu einem Durchgangshof; im Migrationsbereich. Es wurde  notwendig, wieder Ordnung  herzustellen.

Erst 2002 wurden neue Föderalgesetze “Über den rechtlichen Lage der Ausländer in der RF” und das Staatsbürgerschaftsgesetz verabschiedet, die in Kraft traten. Zu selben Zeit wurden  Akzente in der Tätigkeit des Migrationsamtes anders gesetzt. 2001 wurde die Realisierung der Migrationspolitik an das Gewaltamt – das Innenministerium - übergeben. Wenn die frühere Hauptaufgabe des Migrationsamtes in der Lösung von Sozialaufgaben und in der Ausstattung der Zwangsflüchtlinge bestand, so wurde jetzt der Akzent auf die Regelung der Arbeitsmigration und auf das Verhindern der illegalen Migration verschoben.

Die Umsiedler aus den GUS-Ländern (viele davon waren de facto Repatrianten) hatten tatsächlich dieselbe Lage wie Ausländer aus dem fernen Ausland. Größere Spannungen verursachte die Tatsache, dass viele der Migranten, die schon in Russland legitim wohnten und alle Rechte gleichberechtigt mit den Bürgern der RF in Anspruch nahmen, plötzlich verstanden, dass sie Ausländer sind. Falls sie einige Jahre außerhalb der Heimat gewohnt hatten, büssten sie tatsächlich die russische Staatsangehörigkeit ein und erwarben unfreiwillig die Staatsangehörigkeit eines der GUS-Länder.

Seit 1992 sind ca. 60000 Personen in das Gebiet Swerdlowsk gezogen und haben die russische Staatsbürgerschaft angenommen. 55091 lebten mit sowjetischen Pässen und wandten sich nicht an die entsprechenden Behörden mit der Bitte um Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft. Alle diese Personen mussten praktisch die Registrierung ein zweites Mal durchlaufen, diesmal entsprechend der neuen russischen Gesetzgebung.

Die Verschärfung der Migrationsgesetze, die darauf gerichtet sind, die illegale Arbeitsmigration zu unterbinden, haben keine grundlegenden Veränderungen gebracht. Die Anzahl der Ausländer im Gebiet wächst jährlich. 2004 wurden insgesamt 117985 Personen registriert. Lediglich 7629 Personen erhielten eine offizielle Arbeitserlaubnis. Es ist festzustellen, dass das vorhandene Meldesystem und das Verfahren zur Erteilung der Arbeitserlaubnis für viele Migranten ein unüberwindbares Hindernis wurden. Viele Arbeitgeber bevorzugen es, illegale Arbeitsnehmer einzustellen, was dazu führt, dass Migranten keinerlei soziale Garantien haben.

Folgende Hauptprobleme der Toleranz auf dem Gebiet der Migration existieren:

1. Seit Mitte 2002 haben Umsiedler aus den GUS Staaten nach Russland Schwierigkeiten, auf die sie moralisch nicht vorbereitet waren. Das alte Staatsbürgerschaftsgesetz war außer Kraft getreten und das neue griff noch nicht in Folge fehlender Umsetzungsbestimmungen. Die Umsiedler hatten Probleme einen Arbeitsplatz zu finden, ihre Renten zu erhalten. Ursprünglich in Russland geborene und ihre Nachfahren hatten es schwer, diese Schwierigkeiten zu verstehen, obwohl sie den Kontakt mit der historischen Heimat nicht unterbrochen hatten. Oft führten diese Schwierigkeiten zu Verärgerungen und Empörungen, diese Gereiztheit übertrug sich nicht selten auch auf Migranten, die zu ethnischen Gruppen gehören, die traditionell nicht in Russland lebten, zumal viele von Ihnen die Erlaubnis zu einem vereinfachten Verfahren hatten, die russische Staatsangehörigkeit zu erhalten, da internationale Verträge existierten. Für Personen, die in Russland geboren wurden, aber z.B. die kirgisische oder kasachische Staatsangehörigkeit haben, ist es leichter, die russische Staatsbürgerschaft zu erwerben als jemand der die georgische oder armenische Staatsangehörigkeit hat. Die Gesetzesänderungen von Ende 2003 haben die Situation etwas gelindert, die Situation aber nicht verändert.

2. Die Spaltung der Migranten. Die Schwierigkeiten, mit denen Staatsangehörige Russlands, die aus anderen GUS Staaten zuziehen konfrontiert werden (Meldebestätigung, Wohnraumfindung, Rentenbezug) rufen ein hohes Maß an Gereiztheit hervor, zumal Migranten anderer Nationalitäten und Ausländer Möglichkeiten finden, ihre Probleme ungehindert zu lösen. Hinzu kommt, dass Ausländern bei der Arbeitsplatzsuche, der Anmeldung und Wohnraumsuche geholfen wird, da dies ein einträgliches Geschäft ist. So haben beispielsweise viel Bewohner von Wohnheimen in ihren Beschwerden darauf hingewiesen, dass Ausländer mehr Zimmer belegen und die für die Zimmerbelegung Verantwortlichen keine Eile an den Tag legen, wenn es darum geht, leer stehende Zimmer an Staatsangehörige Russlands zu vergeben.
Beispiele hierfür finden sich in den Beschwerden an die Bevollmächtigte für Menschenrechte.
- “Vor meinen Augen kommt die Willkür des Wohnheimverwalters zum Vorschein, der dem ersten besten Mann eine Unterkunft gibt. Die Personen kaukasischer Nationalität bekommen, verstehe nicht wie, eine Wohngelegenheit”, schreibt an die Beauftragte für Menschenrechte der Bewohner eines Wohnheims, das in der Maschinostroitelej-Str. 37 liegt.
-  Sein Leidensgenosse fügt hinzu: “In  unserem Wohnheim belegen die Vietnamesen 4 Stockwerke und in der 5. Etage mieten sie bei einem Tadschiken, der gemäß dem Vertag in diesem Zimmer wohnt, ein Zimmer.” Doch die russischen Staatsbürger, die in diesem Wohnheim einmal ein Bett bekommen hatten, wurden bei der Beatragung eines Einzelzimmers wegen der Gründung einer Familie zurückgewiesen. Darüber hinaus weigerte sich die Wohnheimverwaltung, mit ihnen den Vertrag zu verlängern. Die Wohnheimplätze reichen tatsächlich nicht aus. Nach den Angaben der Meldestelle sind im Wohnheim, das in der Maschinostroitelej-Str. 37 liegt, 269 ausländische Bürger registriert, in den allermeisten Fällen sind das Bürger Vietnams und Chinas. Von Seiten der russischen Staatsbürger gibt es viel weniger, insgesamt lediglich 45 Personen.
- Die ausländischen Staatsbürger belegen auch in Studentenwohnheimen eine grosse Anzahl von Plätzen. Im September 2003 stellte  sich bei der Überprüfung einer der Beschwerden heraus, dass 350 Hörer und Studenten aus Süd-Ostasien im Studentenwohnheim, das der Uraler Akademie für Landswirtschaft angehört, 105 Zimmer belegen. Im Januar 2004 hat die Leitung dieser Lehranstalt die Beauftragte darüber informiert, dass hier bei den Russischkursen 100 Bürger  Chinas und Vietnams unterrichtet werden.

Natürlich löst eine solche Situation bei den gebürtigen Gebietsbewohnern  Empörung aus. Sowohl in den Zeitungspublikationen als auch in den Briefen der Einwohner, die an verschiedene Behörden gerichtet werden:

- “Ich verstehe überhaupt nicht, wo ich wohne. Ganz Asien auf dem Territorium Russlands; sie wollten ja alle die Souveränität, alle wohnen hier wie bei sich zu Hause, wohnen ruhig in Studentenheimen und ich, ein russischer Mensch, bin in meine geschichtliche Heimat mit dem Ausweis eines Umsiedlers gekommen, kann mich zu jeder Zeit mit meiner  nicht volljährigen Tochter auf der Strasse erweisen und das staatliche Wohnheim wird jahrelang leer stehen, die anderen Wohnheime werden mit kaukasischen Persönlichkeiten besiedelt werden” schreibt eine Umsiedlerin aus Kasachstan, Russin ihrer Nationalität nach, an den bevollmächtigten Vertreter des Präsidenten der RF im Uraler Föderalkreis und an die Beauftragte für Menschenrechte im Gebiet Swerdlowsk.
- Die Zeitung “Uralskij rabotschij” (“Uraler Arbeiter”) führt die Worte eines Studenten aus der Uraler Staatlichen Universität an: “Ob ich einen Grund für den Hass habe? Ich verhalte mich mit großer Vorsicht, sogar mit Abneigung zu Tadschiken. Vor allem deswegen, dass eine gute Hälfte von ihnen  Drogenhandel betreibt. Eine solche Empfindung, dass sie zu weiß nicht was ihr Tadschikistan gemacht haben und nun wollen sie genau dasselbe mit Russland tun  Ich glaube, dass man zu den Menschen tolerant sein muss, die ihre Arbeit machen. Aber das bezieht sich nicht auf sie, weil alle normalen Tadschiken in Tadschikistan wohnen.” (Je. Maziong. “Ich hasse sie … “Uralskij rabotschij 14.05.04).

- Nach den Angaben, die in der Zeitung “Uralskij rabotschij” angeführt sind, treten 80% der Jekaterinburger für die Einführung der Visumpflicht mit Tadschikistan ein. 60% der Stadtbewohner sind bereit, die Initiative der unverzüglichen Tadschikendeportation vom Territorium des Urals zu unterstützen. (Uralskij rabotschij. “Ob es leicht ist seinen Nächsten lieb zu gewinnen, wenn er Tadschike oder Chinese ist?” 22.05.04). In den Publikationen, die die Ansichten einiger Bürger der RF zu dem Problem zum Ausdruck bringen, steht oft, dass jeder bei sich zu Hause wohnen muss. Dies erscheint auch in der Zentralpresse nicht selten.

3. Die Angaben, die man im Laufe der  soziologischen Umfragen bekommen hat, zeugen davon, dass das Konfliktpotenzial in der russischen Gesellschaft sehr hoch ist. Nach Angaben der Stiftung “Expertisa” erklärte jeder 4. Befragte, dass man  das Wohnrecht einschränken muss (Einführung der “Sesshaftigkeitsgrenze” für die Vertreter aller Nationalitäten außer russischer“). Am liebsten will man keine Kaukasier sehen (60%), Chinesen (51%), Vietnamesen (48%), Gebürtige aus Mittelasien (47%). (G.Bowt. G.Iljitschjow. Wo geht das Volk mit dem Präsidenten auseinander. Iswestija (Nachrichten), 20.03.04).

Oft ist bei der Entstehung eines Konflikts, der sich zu einem ethnischen Problem entwickelt, die Untätigkeit der Organe des Innenministeriums festzustellen. Anfang 2005 haben die Einwohner des Dorfes Potam (Kreis Atschitskij) sowohl den Präsidenten der RF als auch die Beauftragte für Menschenrechte der RF darüber informiert, dass man in der Gemeindeversammlung von den  Familien der Kurden-Yesiden verlangte, das Dorf zu verlassen. Die Teilnehmer der Gemeindeversammlung wiesen darauf hin, dass diese kurdischen Familien seit einigen Jahren die Bewohner der Dörfer terrorisierten (Artmejkowo, Werchnij Potam, Marijskije Karschi), diese verprügelten, demütigten, gingen in Gruppen, hatten Messer bei sich. Der Abschnittsbeauftragte, an den sich die Bewohner der angegebenen Dörfer mit ihren Beschwerden wandten, traf keine Maßnahmen und registrierte nicht einmal diese Beschwerden. Das Strafverfahren gegen die Familie Ussubjan wurde erst dann eingeleitet als sich eine Tragödie ereignet hatte. Die Geduld der Dorfbewohner platzte, als M. Scharoglasow, der vor kurzem seinen Dienst in Tschetschenien beendet hatte,  wegen einer Schnittwunde, die ihm von einem Armenier Romik Ussubjan zugefügt wurde, sein Bein einbüsste.

4. Das Fehlen einer einheitlichen Konzeption und einheitlichen Position der Staatsorgane den Migranten gegenüber. 2004 wurde im Gebiet Swerdlowsk eine soziologische Untersuchung im Rahmen des Projekts “Förderung der Vervollkommnung von Mechanismen  zwischenstaatlicher Zusammenarbeit zu  Problemen der Arbeitsmigration“ (am Beispiel des Gebiets Swerdlowsk der RF und der Kirgisischen Republik) durchgeführt. Es ist interessant, dass  alle einbezogenen Sachverständigen, unter denen auch Vertreter der nichtstaatlichen Organisationen, Beamten, Unternehmer waren, sich einstimmig für die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Einbeziehung von Migrantenarbeitskräften im  Gebiet äußerten. Die Meinungen über  soziale und kulturelle Auswirkungen ihrer Präsenz gingen aber weit auseinander. Etwa 1/3 der Befragten beurteilten die Präsenz der Migranten als eine Quelle sozialer Destabilisierung und interkultureller Konflikte. 1/4 der Befragten halten die Migranten für eine der Quellen der Verschlechterung krimineller Verhältnisse in der Region. Nach  Meinung der Wissenschaftler, die diese Untersuchung durchführten, geben die Umfragenergebnisse Anlass, davon zu sprechen, dass es an dem genauen Verständnis für den Ursprung und die Ursache der Intoleranz gegenüber den  Migranten fehlt. Die Arbeitsmigranten selbst klagen nicht über die schlechte Haltung der hiesigen Bevölkerung: etwa 30% gaben zu, dass man sich zu ihnen freundlich verhält, 37% - neutral; 10% der Migranten wiesen auf Konflikte und unfreundliches Verhalten der hiesigen Bevölkerung hin.

5. Es entwickelt sich ein vorsichtiges Verhältnis der hiesigen Bevölkerung gegenüber Migranten. Insbesondere zeigt sich diese vorsichtige Haltung zu den Migranten darin, dass die Bewohner Jekaterinburgs ihre Wohnungen nicht an Ausländer  vermieten wollen. Die Studenten der Uraler Staatlichen Akademie, die ihr Praktikum im Apparat der Beauftragten für Menschenrechte machten, haben 150 Anzeigen über die Wohnungsvermietung, die in der ersten von ihnen gekauften Zeitung untergebracht waren, analysiert. 40 davon haben die Wohnungsbesitzer selbst gesetzt. Die Wohnungsbesitzer stellten an die Bewerber ganz verschiedene Forderungen. Einig waren sie sich über eine  einzige Bedingung – die Bewohner müssen russische Nationalität haben. Die Menschen, die eine Wohnung  mieten möchten und ihre Anzeigen in der Stadt ankleben, unterstreichen oft ihre Angehörigkeit zur russischen Nationalität, weil sie das für einen Vorteil halten.

Vorschläge zur Toleranzentwicklung auf dem Gebiet der Migration

Ungeachtet aller o. g. negativen Tendenzen und der gespannten Migrationssituation im Ural ist die Bevölkerung alles in allem gegenüber Migranten anderer ethnischer Gruppen tolerant, dies im Unterschied zu anderen Regionen Russlands. Traditionell leben Vertreter von mehr als 100 Ethnien friedlich zusammen. Insgesamt gesehen ist auch das Verhältnis zu Ausländern tolerant, es gibt sogar Fälle, bei denen sich die Einwohner für die Interessen der Ausländer eingesetzt haben.
Die Situation kann sich allerdings jederzeit vor dem Hintergrund wachsender Probleme und Konflikte mit Ausländern, wachsender Interessenkonflikte prinzipiell ändern.
Damit dies nicht passiert gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die durchzuführen sind:
- auf Föderationsebene: Ausarbeitung einer einheitlichen Konzeption der Migrationspolitik, Beschleunigung der Annahme des Migrationsprogramms, Erfüllung aller staatlichen Pflichten gegenüber registrierten Migranten russischer Staatsangehörigkeit
- auf regionaler Ebene:
• systematische Veröffentlichungen zu Fragen der Migration in der regionalen Presse, die die Notwendigkeit der Arbeitsmigration erläutern und die Aktivitäten der Regierung des Gebietes zur Lösung existierender Probleme darstellen
• Durchführung von Informationsveranstaltungen zur Erklärung der Rechte und Pflichten von Migranten. Verbreitung von Informationsmaterial über Hilfsorganisationen für Migranten
• Unterstützung bei Arbeitsbeschaffung für Migranten, Schaffung einer Datenbank, die Gewährleistung von kostenlosem Rechtsbeistand
• Förderung der Eingliederung von Migranten, Schaffung von Eingliederungszentren (Adaptierungszentren)
• Organisation von Konsulatssprechstunden vor Ort mit Vertretern der Konsulate der GUS Staaten
• Enges Zusammenwirken der Staatsvertreter mit den Vertretern ethnischer Minderheiten.